Das Kaffee im Hugendubel am Marienplatz

So, wir haben's wieder getan. Wir sind wieder ins Kaffee im Hugendubel am Marienplatz.
Der macht leider Ende Januar zu, soviel ist sicher. Ob er tatsächlich seine Tore nächstes Jahr, wie versprochen, wieder öffnet, werden wir mal sehen, denn sehr viel kann in einem Jahr passieren.

Auch wenn er wieder aufmacht ist das Kaffee im letzten Stock für immer weg, denn hier soll ja für die Erlesenen dieser Welt ein Nobelhotel entstehen, so dass sie ja ihre empfindlichen Fußsohlen nicht all zu sehr durchs Laufen verkratzen. Und auch sonst wird hier, auf nur zwei Etagen, kein Platz mehr für ein Kaffee sein, also heißt es wirklich Tschüss.

Deswegen, meine Lieben, schaut zu, dass ihr, bevor es für immer weg ist (Sa. den 30. Januar), ein letztes Mal hingeht, einen Kaffee oder einen Stück Kuchen kauft und die Sicht nach draußen genießt. Es ist egal ob das Wetter widerlich ist oder sonnig. Ihr müsst nicht sehr weit schauen, denn alles was zu sehen ist, ist auf dem Platz davor. Ab Ende Januar ist es dann weg. Keine Sicht mehr aufs Rathaus, auf den Weihnachtsmarkt mit dem Baum, auf die doofen Pegida-Demonstranten usw.

Ich weiß schon, den Kampf zwischen Alt und Neu gab es schon immer.
Meine Güte, der Film „E-Mail für dich“ (1998) wiedergibt doch den damaligen Kampf zwischen kleinen Buchhändler und „Kolossen“ wie Hugendubel, die sich plötzlich um die Ecke mit mehr Möglichkeiten – wie eben einen Kaffee zum Entspannen und Lesen – breit machten. Nun machen wohl diese Kolosse wieder zu, um Platz für noch mehr nutzlose Handyshops oder noch ein Nobelhotel zu machen…

Was wird wohl aus den Menschen, die das Kaffee fast täglich am Abend nach der Arbeit besucht haben? Diejenigen, die einen entspannten Ort gesucht haben, in freundlicher Atmosphäre etwas Zeit zwischen Menschen zu verbringen. Ob mit diesen Menschen oder doch nur zwischen ihnen (alleine aber mit Begleitung) ist egal, Hauptsache unter Menschen!
Gibt es dafür in München eine Alternative?
Ja, vielleicht das Kaffee im Hugendubel am Stachus, aber da ist wohl jeder meiner Meinung, dass es nicht dasselbe ist…

Wir haben im letzten Jahr, wohlwissend, dass der Hugendubel zu macht, etwas öfters das Kaffee zu unserem zweiten Wohnzimmer gemacht, und das ist es wohl für viele Münchner über die Jahre gewesen – auch für mich seit mehr als zehn Jahren – aber eben im letzten Jahr doch mehr.
Wie gesagt ein Wohnzimmer für viele Münchner und andere Menschen, die kurz oder doch etwas länger München ihren Wohnort nennen. Natürlich auch viele Touristen, aber so schnell wie sie gekommen sind, so schnell sind sie auch schon wieder weg.

So haben wir die Menschen, die das Kaffee besuchen, in Gruppen eingeteilt. Denn ja, man hat hier oft die Zeit gehabt beobachten zu können und teilweise daran teilzunehmen.

Wie gesagt, Gruppen:
  • die Regelmäßigen sind die Menschen, die wir jedesmal getroffen haben als wir da waren, und die wohl auch die Male kamen wo wir nicht dabei waren
  • die Gruppe der Freundinnen, natürlich spreche ich hier nicht über die gleichen Personen, sondern über eine Gruppe von Freundinnen - die gibt es immer. Ob älter, weniger älter und sehr jung, teilweise in unterschiedlicher Besetzung und in mehrmaliger Ausführung. Gesprächsthemen sind fast immer dieselben: Männer, Beziehungen, Klamotten, andere Freundinnen, manchmal Essen, und genauso wenig selten, (Enkel-) Kinder.
  • die multikulturelle Gruppe oder die der Nichtdeutschen (denn die Bezeichnungen Ausländer oder Fremde sind noch weniger nett, und ich möchte diese nicht benutzen, da diese Menschen weder Ausländer noch Fremde sind. Manche sind mehr Inländer oder Freunde als Hiergeborenen). Diese Gruppe gibt es hier auch oft, und ja man kann sie von Touristen, die eine eigene Gruppe bilden, unterscheiden. Oft sind es Studenten und aus Studenten festwohnhaft gewordene Münchner. Menschen, die ihre Länder und Städte verlassen haben, um eine bessere Arbeit und/oder Leben zu finden. Manche aber haben auch einfach so München als eine Stadt zum Leben gewählt, weil sie so wunderschön ist. Manche sind hier auch wegen der Liebe geblieben, wie auch immer ihre Gründe klingen mögen, sie sind da, und gut ist. Sie machen aus der Stadt eine schönere, buntere, lebhaftere Stadt. Auch wenn draußen die einfarbige – und es gibt nur eine Farbe, die in Frage kommt, und diese ist keine der schöneren Farben! – Leichtsinnigkeit, die sich Dummgida nennt, plötzlich mit Muslim-Religiösen Lauten auf sich aufmerksam machen will und wieder ein Paar armen Polizisten, die sehr wohl Besseres zu tun hätten - und sei es nur „Paperwork“ - zwingen, ihre Zeit draußen bei Minusgraden zu verbringen, denn sonst nimmt niemand Sie mehr ernst, zumindest hier in München, ihr Wesen treibt, ist hier drinnen so schön bunt.
  • die nächste Gruppe ist die derjenigen, die hier sehr oft lernen und arbeiten. Sie sitzen oft vertieft in ihren Computern und vergessen teilweise (oft?), dass sie nicht im eigenen Zuhause sind. Welch Etablissement kann das heute von sich in dieser Stadt behaupten? Nein, die können es nicht, Punkt. Denn die Starbucksläden sind inzwischen nur stinkende, überfüllte Sardinenbüchsen, und wenn sie das nicht sind, sind sie nur ein Laufsteg für all die Eintagsfliegen, möchtegern Erwachsenpüppchen, die gerne gesehen werden wollen, bei denen aber die Rotze unter der Nase noch von Mama oder der Nanny geputzt werden muss. Denn Papa muss das Geld für die MK oder LV Tasche verdienen, oder doch mit einer ihrer älteren Freundinnen ein paar Spielchen zum Entspannen treiben. Eintagsfliegen, weil sie sich für eine Trendtasche oder eben Handy teilweise fürs ganze Leben verschulden. Ein Ort wie Hugendubel, wo allein die Bücher das Recht aufs Regieren haben, ist für sie wie – hmmm wie soll ich das formulieren, so dass sie das auch verstehen?? Ach ja! – Weihwasser oder Knoblauch für Vampire, im wenig schlimmsten Fall kriegen die nur eine „leicht“ allergische Reaktion und müssen ihre Gehirne für kurze Zeit einschalten.
  • dann gibt es hier die Gruppe der Dates, das sind diejenigen, die sich hier verabreden. Und wieso denn nicht, ein Zweiertisch am Fenster mit Aussicht, Kuchen, Kaffee oder Tee oder eine der vielen anderen Möglichkeiten, was kann denn romantischer sein? Ein offensichtliches Gesprächsthema ist hier geboten, egal ob es ein blindes, erstes-, oder X-tes Date. Diese Gruppe war für mich, muss ich zugeben, die die am interessantesten anzuschauen war – oder eben so gut es geht versteckt zu beobachten. Nennt mich ruhig einen Freak.
  • eine oft irritierende Gruppe war die der Shopper. Meistens am Samstag zu treffen (oder vor großen Feiertagen). Sie nahmen oft mehr als einen Tisch in Anspruch, auch wenn sie nur alleine unterwegs waren, denn die Shoppingtüten brauchten ja, erschöpft von der ganzen Rennerei, unbedingt einen Platz zum sitzen.
  • über der Gruppe der seltsamen Männern wollen wir nicht weiter Diskutieren, sie haben mir und wohl ein Paar – vielen – anderen Damen die Haare im Nacken zum stehen gebracht
  • dann sind noch da die Singles, nicht in dem Sinne, den man immer im Kopf hat, nein. Ich rede hier über Menschen, die alleine unterwegs sind und sich einen Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee kaufen wollen, aber meistens keinen Tisch für sich alleine finden und sich dann mit einem Unbekanntem am Tisch sitzen. Natürlich fragt man davor. Was soll denn so verkehrt daran sein? Was? Man muss mit fremden Menschen reden? Wie bitte, ist das schlimm? Wieso denn? Sind Sie fünf? Ah nein? Sie haben die Eigenschaft der Sozialisation verlernt? Sagen Sie das doch gleich! Wollen Sie sie wiedererlangen? Nichts leichter als das! Gehen Sie raus und sprechen Sie jemanden in einem überfüllten Kaffee an. Fragen Sie ihn, ob Sie mit am Tisch sitzen dürfen! Wer weiß, derjenige oder diejenige kann ja die Person fürs Leben sein! Im schlimmsten Fall haben Sie einen ruhigen Platz, wenn die Person nicht sehr aufs Reden aus ist. Im wenig schlimmeren Fall entfaltet sich daraus ein schöner Dialog – das was man früher oft unter Sozialisation verstanden hat, bevor der Parasit, der sich heutzutage Facebook nennt, sich verbreitet hat.
  • es gibt dann auch noch die Paare, die kleine Familie mit Kindern und so viele andere Gruppen, für die ein Stück Leben für immer verloren geht.