Über Feminismus und Fifty Shades of Grey

Ich habe die Tage soviel gehört über den Film und zwangsweise über das Buch, gegen das ich mich eigentlich schon vor Jahren (wann ist es eigentlich erschienen?) entschied, dass ich eine Entscheidung getroffen hatte.
Ich wurde von Freundinnen und Bekannten, vor denen ich ich mehr oder weniger nie zugegeben habe, dass ich die Bücher (!) nicht gelesen hatte (man will oft Teil bestimmter Gruppierungen sein und muss dafür eben Kompromissen schließen, also war dies für mich ein Kompromiss; ich habe nie behauptet ich hätte das Buch gelesen, aber es auch nicht verneint – bin ich somit eine Lügnerin? Ich denke gerade darüber kann man streiten), ständig angesprochen wann wir uns den Film anschauen. So dachte ich mir ich wende diesmal dieselbe Technik an. Ignorieren, so tun als ob ich keine Zeit dafür hätte — nicht, dass es eine Lüge wäre, ich habe dafür wirklich keine Zeit und ganz bestimmt nicht den Willen dafür Geld auszugeben. Überraschenderweise hat diese Technik diesmal nicht mehr funktioniert. Je mehr Ausreden ich erfand und je weniger freie Zeit ich hatte desto aufdringlicher wurden die Nachfragen und Versuche mich zu überreden. 


„Das Buch ist so klasse, ich hatte so viele Orgasmen beim Lesen!“ - diese Aussage habe ich von so vielen gehört, sie haben alle unabhängig von einander versucht mich tatsächlich damit zu überreden, alles fallen zu lassen und ins Kino zu gehen. Ich habe eine sehr entwickelte Phantasie, die sich hier gegen mich gestellt hat und die Vorstellung von fünfzig (keine Ahnung wie viele Plätze so ein Kinoraum hat) „orgasmendierenden“ Frauen in einem dunklen, oft schlecht belüfteten  Raum, ist nicht gerade die Art und Weise wie ich zwei Stunden meines Lebens verbringen will. Natürlich ist es mir bewusst, dass ich hier die Seite einer Frauen-Freundschaft a la Carrie Bradshaw verpasse, aber meine lieben Damen, das kann man auch ohne den Film haben!

Die andere Aussage, die mich zum Ausrasten bringt ist: „ Es ist doch nur ein modernes Märchen!“. Nein ist es nicht! In wie fern ist das modern und in wie fern ist das ein Märchen??? Modern weil es sich um viel Sex und S&M-Spielchen (ich bin mir sicher, dass die Bezeichnung S&M nicht richtig ist, aber ich habe ehrlich gesagt keinen Bock nach der richtigen zu suchen, so wichtig und dringend für mein Leben ist sie nicht ;-) handelt? Seit wann ist dies bitteschön modern? Solche Erotische-Bahnhof-Literatur gibt es doch schon lange und die sind nicht modern! In wie fern sind die Spielchen modern? In wie fern sind sie modern für Frauen, die Jahrhunderte für ihre Rechte auf Gleichheit gekämpft haben? Und kommen sie nicht mit der Aussage, dass sie modern sind weil eine Frau endlich ihre Sexualität nicht mehr verstecken muss, denn auch diese Aussage ist veraltet. Ja, eine Frau soll nicht ihrer Sexualität verstecken, aber das Buch hat die Frau und ihre Sexualität doch weit ins Mittelalter zurückgeschickt! Oder sollen wir uns von Männern alle so behandeln lassen und unsere Töchter so erziehen, dass sie gute Sex-Sklavinen für Männern sind: stumm und kopfsenkend?
So nun zum Märchen. Ist das ein Märchen weil die Dame den reichen, mächtigen Mann heiratet? Willkommen in dem 21. Jahrhundert meine Damen. Wollen sie tatsächlich wieder ihre Töchter zur Schule und Universitäten schicken nur so dass sie später womöglich einen reichen, mächtigen Mann heiraten? So viele gibt es davon nicht, und ich hoffe die heiraten keine stimmlosen, langweiligen, kopfsenkenden Frauen. Wollt ihr eurer zukünftigen Tochter das Recht und der Möglichkeit auf eine echte Gleichheit, auf ein Leben in dem sie genauso das Sagen hat wie die Männern, berauben? Das wollt ihr? Dann, bitte, macht lieber keine Kinder!
Apropos, wollen sie erotische Märchen, dann lesen sie bitte Schneewittchen nochmal.

Das hat alles nicht mehr zu tun mit der Freiheit und dem Recht einer Frau ihre Sexualität auszuleben. Es hat nur mir der Perversität einer Autorin zu tun, denn obwohl es mir sehr schwer fällt zu akzeptieren es handelt sich um eine Autorin, die schreibt um die Frust von doch, traurig aber wahr, so vielen Frauen, die nicht den Mut gehabt haben bestimmte (sexuelle) Erfahrungen zu sammeln, vielleicht doch auch nur die elementaren, anzusprechen und um Geld zu machen. Denn das ist es: reine Geldmacherei, keine Literatur. Die Werbeindustrie hat mal wieder gesiegt: spätestens jetzt, wo der Film rausgekommen ist, hat kein Mensch aus der westlichen Welt eine Chance mehr sich vor den fünfzig grauen Schatten von Grey zu verstecken. Junge Frauen träumen nur davon von einem Perversling vergewaltigt zu werden.
Und die Männer, nun ja, die Männer wissen wohl nicht mehr was Sache ist: Wir wollen moderne, selbständige Frauen sein, und die Jahrhunderte von Unterdrückung vergessen, aber plötzlich doch wieder dominiert werden. Und das nicht nur sexuell, denn die Protagonistin unterscheidet sich in meinen Augen durch nichts von einer Sklavin.
Und das schickt uns wieder zu der Bezeichnung „Modern“: Katharsis durch Büchern und Geschichten ist gut aber wieder nicht modern, zumindest nicht wenn es sich um das Thema Sex oder Erotik handelt. Glaubt ihr nicht, dass die Katharsis, die man in dem Fall im echten Leben bekommen kann deutlich besser ist? Und wieso denn nicht die Peitsche selber mal benutzen? Euer Haut würde es euch auch danken.

PS: Ich habe tatsächlich die Bücher doch noch gelesen, eine Quall.
PPS: Ich erfahre gerade, dass die richtige Bezeichnung für die Spielchen BDSM ist.