Es war einmal…

 

“Es war einmal ein junges Mädchen…” dachte sich das Mädchen während es sich den Blätterhaufen anschaute, trotzig, grummelnd, aber nichtsdestotrotz vorsichtig, so dass das neue, bunte und frisch angezogene Kleid nicht verschmutzt wird.

“Es war einmal ein Mädchen, das nie das tun durfte, was der Junge durfte!” sagte es diesmal laut und genervt als es sehnsüchtig den Jungen auf der anderen Seite des Haufens beim rumtoben anschaute.

Oben im Baum raschelte es plötzlich. “Was sagst du? Redest du mit mir?”

Das Mädchen schaute überrascht nach oben. Überrascht aber ohne jegliche Angst, wie jemand anderes annehmen würde.

“Wer ist da?” fragte es, “Nein, ich sprach nicht mit dir!” sagte es laut und bestimmt. ”Ich habe nur meinen Unmut laut ausgesprochen!”

“Ahso, na dann ist alles gut!” sagte die Stimme von oben.

“Schaue dir das an!” sagte das Mädchen genervt und ohne zuzuhören. “Ich sehe aus wie eine Weihnachtskugel” sagte es frustriert “ Und das ist nicht mal das Schlimmste! Schlimmer ist die Tatsache, dass ich ein braves Mädchen sein sollte und mein Kleid nicht verschmutze darf”

Aus dem Baum kam ein lautes Kichern.

“Hey! Ist das lustig für dich?” fragte das Mädchen irritiert.

“Eigentlich schon, aber nicht weil ich mich lustig über dich machen würde! Ich wurde heute früh auch in neue Klamotten gesteckt und ich soll sie nicht dreckig machen!” sagte die Stimme, oben im Baum.

“Ahso, dann weißt du, wie es mir geht! Schau dir diesen Haufen Blätter an! Sieht er nicht nach Spass aus? Am liebsten würde ich reinspringen und mich rumwälzen, wie der Junge da drüben!” sagte das Mädchen.

“Ja, da kann ich dir nur zustimmen!” sagte die Stimme.

“Ich darf nicht! Mama und Papa wollen, dass ich heute brav bin und sauber bleibe! Sauber! Als ob ich sonst nicht sauber wäre! Ich wasche mich jeden Abend! Ich bin sauberer als sauber!” sagte das Mädchen genervt.

“Ja, jemand der sich jeden Abend wäscht ist sauber, da stimme ich dir zu.” sagte die Stimme, “Ich wasche mich jeden Abend und jeden Morgen, das ist auch sauber!”

“Wirklich sehr sauber!”, sagte das Mädchen, “Hach! Was mach ich jetzt? Der Haufen sieht wirklich so nach Spass aus, was würdest du tun? Hmm, wer bist du eigentlich? Ich soll ja mit keinen fremden Menschen reden!”

Vom Baum kam keine Antwort mehr, man konnte nur ein sehr lautes Rascheln und Krachen hören und dann war alles wieder sehr ruhig. Nur ein paar gelb-rot-braune Blätter fielen wie ein Regenschauer über das Mädchen und ihren Blätterhaufen.

“Um, … also, … ich heiße Rocky…” sagte eine Stimme aus der Nähe, aber das Mädel sah niemanden, “und es stimmt, du solltest nicht mit Fremden reden, das haben auch mir meine Eltern beigebracht!”

“Wo bist du? Ich sehe dich nicht!”, sagte das Mädchen.

“Hier, aber du musst mir versprechen du lachst mich nicht aus! Meine Mama hat heute besonderes viel Spass gehabt mich anzuziehen, meine Klamotten sind sehr bunt!” sagte die Stimme.

“Ich verspreche nicht zu lachen!” sagte das Mädchen, “bunte Klamotten sind nie ein Grund zu lachen!”.

“Gut, danke!” sagte die Stimme, und von hinter dem Baum kam ein Wesen ins Licht, klein, flauschig mit grau-schwarz-weißem Fell, aber mit Klamotten angezogen, die alle Farben des Regenbogens besaßen. Rocky sah eigentlich nicht schlecht aus, dachte sich das Mädchen.

“Du siehst toll aus! Ich liebe es!”, sagte es, “solche schönen, fröhlichen Farben! Meine Klamotten sind im Vergleich dazu langweilig…”

“Nun ja, ich gebe zu ich mag die Farben auch sehr, aber, dass ich nicht spielen kann ist ärgerlich!” sagte Rocky trotzig.

“Ja, wir hätten zusammen im Blätterhaufen spielen können!”, sagte das Mädchen frustriert.

“Mein Opa wird sich aber freuen, er hat heute Geburtstag und liebt alles, was bunt ist!” sagte Rocky.

“Du siehst wirklich sehr toll und farbenfroh aus! Er wird es lieben! Außerdem, spielen können wir morgen!” sagte das Mädchen.


Am nächsten Tag als das Mädchen mit seiner Mutter im Park ankam, fand es anstelle des Blätterhaufens nur grünes, langweiliges Gras… Aus dem Baum konnte es nur eine traurige, leise Stimme hören: “Sie waren heute sehr früh hier und haben alles mitgenommen! Ich hatte mich so darauf gefreut…”

“Ich mich auch…” sagte das Mädchen mit Tränen in den Augen und rannte schluchzend zu seiner Mutter.


Liebe Eltern, Kinder sind Kinder! Sie sollen spielen, wenn sie spielen wollen, dreckig werden und Fehler machen, woraus sie lernen können. Erwachsen und sittlich können sie den Rest ihres Lebens sein!


Mit der Geschichte bin ich eines Tages aufgewacht. Ich würde am liebsten sagen wollen, dass ich nicht weiß wieso ich sowas in meinem Kopf hatte, aber das wäre wohl eine Lüge. Als Kinder, vor allem als Mädchen, werden wir oft von unseren Eltern, Großeltern (u.A.) regelrecht gedrillt, Sachen auf eine gewisse Art und Weise zu machen. Wieso mir die Geschichte durch den Kopf wanderte? Dafür müsste ich endlose Reihen voller psychologischer Untersuchungen niederschreiben, oder es einfach so hinnehmen.